In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren 1.
Gemeinde Neuküstrinchen,
2. Gemeinde Neureetz,
3. Gemeinde Neurüdnitz,
jeweils vertreten durch das Amt
Barnim-Oderbruch,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Freienwalder Straße 48,
16269 Wriezen,
Beschwerdeführerinnen,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
S.
wegen: |
kommunaler Neugliederung;
hier: Eingliederung der Gemeinde Altreetz (Amt Barnim-Oderbruch)
in die neugebildete amtsangehörige Gemeinde Oderaue |
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Knippel, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert,
Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will
am 18. Mai 2006
b e s c h l o s s e n :
Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Die Beschwerdeführerinnen, drei dem Amt
Barnim-Oderbruch angehörende Gemeinden, wehren sich gegen die Eingliederung
der Gemeinde Altreetz in die aus den drei Beschwerdeführerinnen durch
Gebietsänderungsvertrag neugebildete amtsangehörige Gemeinde Oderaue.
I.
1. Das nach dem Modell 1 gebildete und zum
Landkreis Märkisch-Oderland gehörende Amt Barnim-Oderbruch mit Sitz der
Amtsverwaltung in der - zum großen Teil vom Amtsgebiet umgebenen -
amtsfreien Stadt Wriezen wird im Norden, Osten und Süden von den zum selben
Landkreis gehörenden Ämtern Bad Freienwalde-Insel, Falkenberg-Höhe,
Letschin, Neuhardenberg, Märkische Schweiz und Altlandsberg sowie der
Republik Polen begrenzt. Westlich des Amtes liegt das zum Landkreis Barnim
gehörende Amt Werneuchen.
Die Beschwerdeführerinnen gehörten
zunächst dem im Jahr 1992 aus 21 Gemeinden gebildeten Amt Wriezen-Land im
äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg an. Mit Wirkung zum 01.
Oktober 1994 änderte sich der Name des Amtes in „Amt Barnim-Oderbruch“.
Infolge der im Jahr 1997 wirksam gewordenen Gemeindezusammenschlüsse
verringerte sich die Anzahl der amtsangehörigen Gemeinden auf 13.
Die Beschwerdeführerinnen waren
unmittelbar benachbart. Zudem grenzte an die Beschwerdeführerin zu 3 die
Gemeinde Zäckericker Loose und an die Beschwerdeführerin zu 2 die Gemeinde
Altreetz. Die Ortszentren der Beschwerdeführerinnen lagen ca. 3 bis 5 km
voneinander entfernt, ihre Entfernung zum Sitz der Amtsverwaltung betrug
zwischen 12 und 17 km.
Bei einer deutlich über dem
Landesdurchschnitt (161 km²) liegenden Fläche von ca. 325 km² und 8.826
Einwohnern (Stichtag 31. Dezember 2001) wies das Amt eine deutlich unter dem
Landesdurchschnitt liegende Bevölkerungsdichte von nur ca. 28 Einwohnern pro
km² (Landesdurchschnitt 87 Einwohner pro km², äußerer Entwicklungsraum 49
Einwohner pro km²) auf. Es lebten in Altreetz ca. 900 Einwohner, in
Güstebieser Loose ca. 240, in Neulewin ca. 660, in Neulietzegöricke ca. 240,
in Zäckericker Loose ca. 130, in Prötzel ca. 1.280, in Bliesdorf ca. 1.290,
in Neutrebbin ca. 1.670, in Reichenow-Möglin ca. 680, in Wriezener Höhe ca.
820, in der Beschwerdeführerin zu 1 270, in der Beschwerdeführerin zu 2 ca.
350 und in der Beschwerdeführerin zu 3 ca. 290.
2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte
das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der
Beschwerdeführerinnen zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der
Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch
die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des
Landkreises Märkisch-Oderland versandt.
3. Die Gemeindevertretungen der
Beschwerdeführerinnen hatten bereits im Jahr 2001 einen Zusammenschluß der
drei Beschwerdeführerinnen sowie der Gemeinde Zäckericker Loose befürwortet.
Auch bei den am 07. Oktober 2001 in den drei beschwerdeführenden Gemeinden
durchgeführten Bürgerentscheiden sprachen sich die Bürger für den
Zusammenschluß der vier Gemeinden aus. Ein Zusammenschluß auch mit der
Gemeinde Altreetz, der in der Beschwerdeführerin zu 2 alternativ zur Wahl
gestellt worden war, wurde von deren Einwohnern sowohl im Rahmen eines
Bürgerentscheids im Jahr 1998 als auch bei der Einwohnerbefragung im Jahr
2000 abgelehnt. Die Gemeindevertretung von Altreetz votierte gegen die
Bildung einer neuen Gemeinde Oderaue.
Im Hinblick auf die mit positivem Ergebnis
durchgeführten Bürgerentscheide wurde im Januar 2002 beim Ministerium des
Innern die Genehmigung für den Zusammenschluß der drei Beschwerdeführerinnen
zur neuen Gemeinde Oderaue beantragt. Das Ministerium lehnte die Anträge im
Oktober 2002 ab.
4. Im September/Oktober desselben Jahres
brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten
Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 6 Abs. 2 des Entwurfes zum
Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die
Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin,
Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah die Bildung der neuen Gemeinde
Oderaue aus den Beschwerdeführerinnen zu 1 bis 3 sowie den Gemeinden
Zäckericker Loose und Altreetz vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den
die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am
23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur
Anhörung der Beschwerdeführerinnen vor dem Innenausschuß am 16. Dezember
2002 wurden deren ehrenamtliche Bürgermeister geladen. Im Ergebnis dieser
Anhörung und aufgrund der Bitte des Innenausschusses genehmigte das
Ministerium des Innern den Gebietsänderungsvertrag der Beschwerdeführerinnen
am 19. Februar 2003 schließlich mit Wirkung zum Tag der nächsten
landesweiten Kommunalwahlen (Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, Antrag Nr.
45).
Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003
vom Landtag verabschiedet. § 6 Abs. 2 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003
(GVBl I S. 84), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in
Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet nunmehr:
§ 6
Verwaltungseinheit Amt Barnim-Oderbruch
...
(2) Die Gemeinden Zäckericker Loose und
Altreetz werden in die zum Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahlen
gebildete neue Gemeinde Oderaue eingegliedert.
...
II.
Die Beschwerdeführerinnen haben am 25.
Oktober 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie verweisen auf ihr
Vorbringen im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Dort
wandten sie sich gegen die Einbeziehung der Gemeinde Altreetz in die neue
Gemeinde Oderaue und brachten vor, daß das Anhörungsverfahren fehlerhaft
gewesen sei. Die Frist von gut drei, knapp vier Wochen sei zu kurz gewesen,
um die Anhörung vor dem Innenausschuß angemessen vorbereiten zu können. Sie
befürchteten, Altreetz mit seinen 900 Einwohnern werde die neue Gemeinde
dominieren. Altreetz sei allein deshalb eingemeindet worden, damit das Amt
später nicht aus sieben, sondern nur aus sechs Gemeinden bestehe. Ein Amt
müsse jedoch im Ausnahmefall durchaus auch aus sieben Gemeinden bestehen
können, zumal es sich bei dem Amt Barnim-Oderbruch um ein funktionierendes
Amt handele.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen
festzustellen:
§ 6 Abs. 2 des Fünften Gesetzes zur
landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim,
Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5.
GemGebRefGBbg) vom 24. März 2003 ist – soweit er die Eingliederung von
Altreetz in die neue Gemeinde Oderaue betrifft - mit Art. 97 Abs. 1 und
Art. 98 der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar und deshalb
nichtig.
III.
Der Landtag Brandenburg, die
Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie die
Gemeinden Altreetz und Oderaue hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die
Bürgermeisterin der Gemeinde Oderaue bat mit Schriftsatz vom 10. Februar
2004 dringend darum, die Eingemeindung von Altreetz nach Oderaue rückgängig
zu machen. Eine für die Ortsteile und die Bürger gedeihliche Zusammenarbeit
in der Gemeindevertretung sei aufgrund der Befindlichkeiten zwischen den
zwangsweise zusammengeschlossenen Orten nicht möglich. Die massive Ablehnung
einer auf gemeinsamen Interessen basierenden Zusammenarbeit sei für sie als
Bürgermeisterin, die Ortsbürgermeister, die Gemeindevertreter und die Bürger
unerträglich.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt
ohne Erfolg.
I.
Sie ist - insbesondere nachdem die
Beschwerdeführerinnen mit Schriftsatz vom 05. April 2006 klargestellt haben,
sich nur gegen die Eingliederung von Altreetz in die neue Gemeinde Oderaue
zu wenden - gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr.
5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft
und auch sonst zulässig.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind
ungeachtet des von ihnen abgeschlossenen Gebietsänderungsvertrages und des
zwischenzeitlichen Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelung
beteiligtenfähig.
Ungeachtet des zwischenzeitlichen
Inkrafttretens des Neugliederungsvertrages gelten die Beschwerdeführerinnen
als fortbestehend. Denn die mit der hier angegriffenen gesetzlichen
Neugliederung bewirkte Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die
neugebildete Gemeinde Oderaue steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit
der (freiwilligen) Auflösung der Beschwerdeführerinnen derart, daß die
Eingliederung von Altreetz - trotz zeitgleichen Wirksamwerdens beider
Maßnahmen zum Tag der Kommunalwahlen - bereits auf der Existenz der
neugebildeten Gemeinde Oderaue basiert. In dieser Konstellation ergibt sich
der Bedarf nach einem Fortbestehen der Gemeinden ebenso, als würden sich die
Beschwerdeführerinnen gegen das sie auflösende Gesetz wenden. Denn sie
würden - gleich ob als drei der fünf Ortsteile der neugebildeten Gemeinde
Oderaue oder als jetzige Gemeinde Oderaue betrachtet - aufgrund des durch
freiwilligen Zusammenschluß bewirkten Verlustes ihrer Beteiligtenfähigkeit
in ihrem Begehren ohne Rechtsschutz bleiben.
Die Beschwerdeführerinnen werden im
kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren auch weiterhin durch das Amt
vertreten.
2. Die Beschwerdeführerinnen sind im
Hinblick auf die Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die neugebildete
Gemeinde Oderaue nach § 6 Abs. 2 des 5. GemGebRefGBbg auch beschwerdebefugt.
Gemäß Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 VerfGGBbg
können Gemeinden und Gemeindeverbände kommunale Verfassungsbeschwerde (nur)
mit der Behauptung erheben, daß „ihr Recht auf Selbstverwaltung nach
der Verfassung“ verletzt sei. § 51 VerfGGBbg setzt damit voraus, daß die
beschwerdeführende Gemeinde von den Rechtswirkungen der angefochtenen
Regelung selbst betroffen sein muß. Eigene Betroffenheit liegt dabei auch
vor, wenn die Verletzung eines verfassungsmäßig garantierten Rechts durch
eine Gesetzesbestimmung gerügt wird, die zwar unmittelbar Dritte im Blick
hat, gleichzeitig aber wie ein unmittelbar an die Beschwerdeführerin
gerichteter Gesetzesbefehl wirkt (vgl. schon BVerfGE 4, 96, 101; 13, 230,
232 f.; s. auch Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., § 12 Rn. 41
f.; Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge,
Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, Stand September 2003, §§ 91 Rn.
27, 90 Rn. 95, 97; Clemens, in: Umbach/Clemens,
Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 91 Rn. 82 ff.; Benda/Klein,
Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl., § 20 Rn. 696 ff.).
Wenn Gemeinden im Rahmen einer kommunalen
Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen einer landesweiten Gebietsreform
ihren bisherigen Status erhalten wollen und zugleich zusätzlich die
Auflösung weiterer Gemeinden oder auch ihres Amtes verhindern wollen, ist
nur schwerlich vorstellbar, daß das Schicksal der Gemeinde mit dem ihrer
Nachbarn oder dem des Amtes in einem Maße verknüpft ist, daß eigene
kommunale Selbstverwaltung von dem Bestand der Nachbarn abhängt. Weil eine (amtsangehörige)
Gemeinde beanspruchen kann, daß ihr eine geeignete (Amts-)Verwaltung zur
Verfügung steht, kann die Gemeinde im Falle eines Erfolges auch ohne
bisherige Nachbargemeinden oder auch mit einem anders zugeschnittenen Amt
fortbestehen.
Anders ist es zu beurteilen, wenn die
Gemeinde „zielortbezogene“ Einwände erhebt, d.h. Beanstandungen, die mit der
neuen Gemeinde zu tun haben, etwa im Hinblick auf ihre eigene räumliche
Zuordnung. Gründe des öffentlichen Wohls müssen nicht nur das „ob“ einer
Maßnahme rechtfertigen, sondern auch das „wie“ und damit die Grundlage auch
für die Entscheidung bilden, in welche andere Gemeinde die aufgelöste
Gemeinde eingegliedert wird. Wenn die bisherige Gemeinde ihre
Selbständigkeit zugunsten einer Lösung aufgeben soll, deren Qualität in
gewichtigem Maße von der Zuordnung ehemaliger Nachbargemeinden abhängt, ist
sie von der Neugliederungsentscheidung ihrer Nachbargemeinde mitbetroffen.
Die Gemeinde kann deshalb verlangen, daß - unbeschadet der dem Gesetzgeber
insoweit zuzugestehenden Freiräume - die dauernde Eignung der Gemeinde, wie
sie aus der Gemeindegebietsneugliederung hervorgeht, für die Wahrnehmung der
künftigen Verwaltung nicht ernsthaft in Frage zu stellen ist und daß die
neue bzw. vergrößerte Gemeinde ohne Verstoß gegen das Gebot der
Systemgerechtigkeit, etwa durch systemwidriges Unterlassen der Eingliederung
weiterer Gemeinden, gebildet wird (Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - mit Verweis auf
VerfGH NW, Urt. vom 7. Dezember 1973 - VerfGH 18/72 -, DVBl 1974, 517 [Nettelstedt];
s. auch BayVerfGH, Urt. vom 29. Oktober 1980 - Vf. 2-VII-78 -, VwRspr 32,
257; BayVGH, Beschl. vom 3. März 1977 - Nr. 65 V 76 -BayVBl 1979, 146; vgl.
demgegenüber BayVerfGH, Entsch. vom 24. Juni 1988 - Vf.10-VII/86 -, NVwZ
1989, 243 bei Rüge der „aufnehmenden“ Gemeinde, das eingegliederte
Gemeindegebiet sei zu klein).
Abweichend davon wird vorliegend der
freiwillige Zusammenschluß der Beschwerdeführerinnen zur neuen Gemeinde
Oderaue mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen. Die
Beschwerdeführerinnen könnten durch die angegriffene Neugliederungsmaßnahme
in dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich ihres
Selbstverwaltungsrechtes deshalb nur dadurch verletzt sein, daß die Gemeinde
Altreetz zusätzlich in die neugebildete Gemeinde Oderaue eingegliedert
wurde. Eine Beeinträchtigung der Beschwerdeführerinnen in ihrem
Selbstverwaltungsrecht kommt bei dieser Sachlage nur in Betracht, wenn
greifbar Anhaltspunkte dafür erkennbar werden, daß die vom Gesetzgeber unter
Einbeziehung auch der Gemeinde Altreetz neugebildete Gemeinde Oderaue die
ihr obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben nicht effektiv erfüllen kann und
deshalb auf die Dauer nicht lebensfähig ist. Nur im Rahmen dieser Prüfung
ist erheblich, ob die Eingliederung der weiteren Gemeinde durch den
Gesetzgeber in die durch freiwilligen Zusammenschluß bereits gebildete neue
Gemeinde durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt ist (BVerfGE 50,
50, 51 [Laatzen]).
Daran gemessen sind die
Beschwerdeführerinnen auch im Hinblick auf die Eingliederung der Gemeinde
Altreetz in die von ihnen - den Beschwerdeführerinnen - eine „logische
Sekunde“ zuvor aufgrund freien Entschlusses gebildete Gemeinde Oderaue
beschwerdebefugt, weil sie damit über die freiwillige Aufgabe ihrer
Selbständigkeit hinaus zusätzlichen Bedingungen unterworfen werden, die sie
als belastend empfinden. Die von den Beschwerdeführerinnen vorgetragenen
Tatsachen lassen es zumindest als möglich erscheinen, daß der Gesetzgeber
systemwidrig die Gemeinde Altreetz in die Gemeinde Oderaue eingegliedert
hat.
II.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde
erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Eingliederung der
Gemeinde Altreetz in die aus den Beschwerdeführerinnen neugebildete Gemeinde
Oderaue bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Verfassung.
1. Die nach der Landesverfassung geltenden
Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit
in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im
wesentlichen inhaltsgleichen Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung
des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteile vom 18.
Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, sowie vom 16. Juni 2005 -
VfGBbg 48/03 -, und Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und
118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen.
2. In das Gebiet einer Gemeinde sowie -
erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1
LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der
Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom
Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von
der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische
Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommen, daß er Ziele, Leitbilder und
Maßstäbe selbst festlegen kann.
Das Verfassungsgericht überprüft zunächst,
ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und
umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle
nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige
Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 -
[Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51
[Laatzen]).
Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob
der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend
zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in
vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat.
Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des
Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die
Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des
Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig
widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die
Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange
bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den
Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der
verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den
angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von
willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die
Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und
zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998
– VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg
34/01 –,[Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573,
574, und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse
vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg
113/03 -).
In Anwendung dieser Grundsätze hat sich
hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die
Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die neugebildete Gemeinde Oderaue
Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im
einzelnen:
a) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend
mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.
(1) So sah der Gesetzgeber, daß der den
Beschwerdeführerinnen am nächsten gelegene Versorgungsort die Gemeinde
Altreetz ist, die sich – wie der Gesetzgeber ausführlich dargelegt hat -
bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum wichtigsten Ort im nördlichen
Oderbruch entwickelte und seitdem eine zentrale Funktion für die umliegenden
Gemeinden wahrnimmt, die sie insbesondere in der DDR-Zeit weiter ausgebaut
hat. So verfügt Altreetz über eine Kindertagesstätte, eine Schule, einen
Hort, einen Jugendclub, eine Raiffeisenbank, ärztliche
Versorgungsmöglichkeiten, Verkaufsstellen und Dienstleistungsunternehmen
sowie ein eigenes Gewerbegebiet. Auch der auf dem Gebiet der
Beschwerdeführerin zu 1 gelegene Campingplatz wird durch mobile
Versorgungsfahrzeuge und Einrichtungen aus Altreetz betreut. Zwischen der
Beschwerdeführerin zu 2 und der Gemeinde Altreetz hat der Gesetzgeber nicht
nur eine bauliche Verflechtung festgestellt, sondern auch eine historische
Verbundenheit. Beide Gemeinden waren als Kolonistendörfer auf dem
Territorium der alten Fischergemeinde Reetz errichtet worden und
unterstanden bis 1945 dem Amtsvorsteher von Altreetz.
Die Verkehrsverbindung zwischen den drei
Beschwerdeführerinnen und der Gemeinde Altreetz ist durch die Landesstraßen
L 281 und L 28 sowie die Kreisstraße K 6412 gesichert.
Der überwiegende Teil der erwerbstätigen
Bewohner in den Beschwerdeführerinnen pendelt zur Arbeit nach Bad
Freienwalde, in geringerem Umfang auch nach Wriezen.
Die in den Beschwerdeführerinnen
wohnhaften Schüler besuchen die Grundschule und den Hort in Altreetz, die
Realschulen in Bad Freienwalde (Oder) und Neutrebbin, sowie die Gymnasien in
Wriezen und Bad Freienwalde (Oder). Die Kindertagesstätte in Altreetz wird
ebenfalls von den Kindern aller drei Beschwerdeführerinnen besucht.
Daß die Beschwerdeführerinnen jeweils über
eine Feuerwehr und ein Feuerwehrgebäude verfügen, hat der Gesetzgeber nicht
unberücksichtigt gelassen.
Während der Gesetzgeber bei Altreetz
ebenso wie bei den Beschwerdeführerinnen zu 1 und 3 einen ausgeglichenen
Haushalt feststellen konnte, war dieser bei der Beschwerdeführerin zu 2
unausgeglichen. Eine Abhängigkeit von Schlüsselzuweisungen erkannte er nicht
nur bei Altreetz, sondern auch bei den Beschwerdeführerinnen zu 2 und 3.
Dabei ließ er nicht außer Betracht, daß Altreetz einen Friedhof und ein
Bürgerhaus unterhält und die Beschwerdeführerin zu 1 in den vergangenen
Jahren kleinere Investitionen im Bereich von Schöpfwerk und
Straßenunterhaltung durchführen lassen konnte.
Wie die Beschwerdeführerinnen gehört auch
Altreetz zum Kirchensprengel Neuküstrinchen. Es bestehen kulturelle
Beziehungen der Beschwerdeführerinnen zum Altreetzer Karneval Club und zum
Geschichtsverein Altreetz und Umgebung e. V. sowie im Bereich des Sports zum
Turn- und Sportverein Altreetz.
(2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet
keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten
richtig erfaßt und gewürdigt hat. Wie verbunden die Gemeinden im Detail
jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur
Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht
fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes
bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und
daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer
die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß
die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden
Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für
das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“;
VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW,
NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen haben die Beschwerdeführerinnen
weder mitgeteilt noch sind sie sonst ersichtlich.
b) Die allgemeinen vom Gesetzgeber hier
herangezogenen Kriterien für die kommunale Neugliederung halten sich im
Rahmen des öffentlichen Wohls (Art. 98 Abs. 1 LV). Der Gesetzgeber durfte
sich für die Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die neugebildete
Gemeinde Oderaue wesentlich auf den Änderungsbedarf der brandenburgischen
Gemeindestruktur im äußeren Entwicklungsraum mit dem Ziel berufen, die Ämter
zu stärken. Durch die Festlegung einer zahlenmäßigen Unter- wie auch
Obergrenze in Bezug auf die dem einzelnen Amt angehörenden Gemeinden sollen
leistungsfähigere Verwaltungsstrukturen auf der Ebene des Amtes geschaffen
und damit eine annähernd gleichwertige Verwaltungskraft von Amt und
amtsfreier Gemeinde hergestellt werden (Leitbild I. 2. b) aa), vgl.
LT-Drucksache 3/5020, S. 41 sowie Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu
§ 6 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550).
Das Amt soll nicht weniger als 5.000 und
amtsangehörige Gemeinden sollen regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner
haben. Auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses
abgesehen - aus mindestens drei und nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen
(LT-Drucksache 3/5020, S. 203, 207, S. 41 ff. Leitbild I. 2. b) aa), bb) und
cc). Eine diesem Leitbild teilweise widersprechende Ausgangssituation hat
der Gesetzgeber vorgefunden.
aa) Daß eine Stärkung der
Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der
Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine
kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das
Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem
Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18.
Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) aber auch für
den äußeren Entwicklungsbereich (zuletzt Beschluß vom 20. Oktober 2005 -
VfGBbg 277/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der
Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land
Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg
34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573,
574). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der
bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende
Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere
Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen
(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004
- VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. November 2004 - VfGBbg 167/03 -).
Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der
Leitbildbestimmungen. Ebenso wie eine leistungsfähige Verwaltung eine
gewisse Einwohnerzahl voraussetzt, die ein Mindestmaß an finanzieller
Leistungskraft sicherstellt, gewährleistet eine Höchstzahl amtsangehöriger
Gemeinden die Effektivität der Verwaltung. Wenn der Gesetzgeber sich in
seinem Leitbild auf die hier in Rede stehende Anzahl von sechs einem Amt
angehörenden Gemeinden festgelegt hat, dann sind seine diesbezüglichen
Wertungen und Erwägungen nicht offensichtlich fehlerhaft oder widerlegbar
(so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August
2002, a.a.O. sowie u.a. Beschluß vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 150/03 -, S.
17 f. EA).
Die Begrenzung auf eine Höchstzahl von
sechs einem einzelnen Amt angehörenden Gemeinden - wobei eine größere Anzahl
ausnahmsweise als Folge eines Ämterzusammenschlusses zulässig sein soll (I.
2. b) aa) Sätze 3 und 4 des Leitbildes) - ist ein dem öffentlichen Wohl
dienendes Neugliederungsziel. Nachvollziehbar ist insoweit auch das Argument
des Gesetzgebers, daß die Effizienz der Verwaltungstätigkeit unter einer zu
kleinteiligen Amtsstruktur leidet.
Soweit der Gesetzgeber angesichts dessen
die Neugliederung darauf stützte, daß das Amt Barnim-Oderbruch selbst unter
Berücksichtigung einer Reihe vertraglicher Gemeindezusammenschlüsse vor der
gesetzlichen Neugliederung mehr als sechs Gemeinden aufwies und auch der
Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses nicht vorlag, ist dies
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
bb) Daß die neugebildete Gemeinde Oderaue
infolge einer Eingliederung insbesondere der Gemeinde Altreetz nicht in der
Lage wäre, dauerhaft die ihr obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben effektiv
zu erfüllen und damit lebensfähig zu sein, ist nicht ersichtlich. Soweit die
Beschwerdeführerinnen einen Verlust an kommunalpolitischen
Mitwirkungsmöglichkeiten durch ein dominierendes Altreetz befürchten, ist
ihnen der Verweis auf die in den §§ 54 ff. Gemeindeordnung vorgesehenen
Mitwirkungsrechte für Ortsteile entgegenzuhalten. § 34 des 5. GemGebRefGBbg
eröffnet darüber hinaus Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von
Vereinbarungen zu den weiteren Folgen des Gemeindezusammenschlusses.
3. Zur Erreichung der Reformziele ist die
Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die neugebildete Gemeinde Oderaue
nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag
nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und
Kleinstgemeindestruktur durch die Eingliederung der Gemeinde Altreetz
eindeutig verfehlt würde.
4. Die Eingliederung ist auch nicht
unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines
Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander
abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis
gelangt. Danach besitzen die für eine Eingliederung der Gemeinde Altreetz in
die neugebildete Gemeinde Oderaue sprechenden Gründe das größere Gewicht.
(1) Die Bedeutung der kommunalen
Selbstverwaltung war dem Gesetzgeber gegenwärtig. Er hat die Belange der
Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus
der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 186
ff.). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber
auf der anderen Seite mit der Eingliederung das Ziel verbindet, größere
Verwaltungseinheiten innerhalb des Amtes zu schaffen, die
Verwaltungsstrukturen des Amtes damit zu straffen und Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit der Verwaltung so zu erhöhen und diese deshalb für notwendig
hält.
(2) Die Zuordnung der Gemeinde Altreetz zu
einer anderen Verwaltungseinheit durfte der Gesetzgeber bereits wegen der
engen Beziehungen der Beschwerdeführerinnen zu Altreetz und der weiteren
Zielsetzung, mit der Eingliederung das Amt zu erhalten und zu stärken,
ablehnen. Zudem haben die Beschwerdeführerinnen anderweitige Präferenzen,
die insoweit neue Erwägungen hätten veranlassen können, nicht geäußert.
5. Auch im übrigen läßt die Abwägung des
Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen.
(1) Der Gesetzgeber war nicht durch die
finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die
aus den Beschwerdeführerinnen neugebildete Gemeinde Oderaue gehindert. Für
die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs.
1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend,
welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile
bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten
neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber
hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht.
Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa
einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und
Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden
Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls
teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen
unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden
zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht
vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt
werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der
Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und
Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern
veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des
Gesamt-Neugliederungs-gebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar.
(2) Verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen
der Bevölkerung gewichtet hat, indem er davon ausging, daß auch der einer
Eingliederung der Gemeinde Altreetz in die neugebildete Gemeinde Oderaue
entgegenstehende Wille sowohl der Beschwerdeführerinnen als auch der
Gemeindevertretung von Altreetz die dauerhafte Eignung der Gemeinde Oderaue,
wie sie aus der Gemeindegebietsreform hervorgegangen ist, für die
Wahrnehmung der ihr obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben nicht in Frage
stellt. Die Ergebnisse der Bürgerentscheide sowie der mündlichen Anhörung
vor dem Innenausschuß waren dem Gesetzgeber bekannt und sind in das
Gesetzgebungsverfahren eingeflossen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 186 ff.,
Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 6 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage
2 zu LT-Drucksache 3/5550). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist
der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Der Wille der Bevölkerung stellt
vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die
Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die
Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer
allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu
gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz
des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen.
Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner
Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Wunsch der
Beschwerdeführerinnen gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung der
Gemeinde Altreetz in die neugebildete Gemeinde Oderaue sprechenden Umständen
mit dem Ziel, die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie
seine Leistungsfähigkeit zu stärken, das höhere Gewicht beigemessen hat.
C.
Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg.
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